Sonntag, 27. Juli 2014

2014 Eigertrail - 67.8 Kilometer - 5160 Höhenmeter - DNF



Mein erster DNF

http://youtu.be/PT2M_3beYMo



Bei meinem 13. Ultralauf das erste Mal nicht bis ins Ziel gekommen.

Ich war noch bei einer Physiotherapeutin und bat sie, mir die Achillessehne zu massieren. Da hat sich als Glücksfall erwiesen, noch während sie an der Sehne herumdrückte, was recht schmerzhaft war, aber was ist nicht schmerzhaft bei einer richtig zupackenden Physiotherapie oder Massage, spürte ich, wie ich den Fuss nicht mehr spürte. Seit Monaten schon fühlte sich der rechte Fuss anders an als der linke. Er hatte sich auch seit Biel nicht mehr richtig erholt.

Plötzlich keine Beschwerden mehr.

Am Mittwoch noch ein kurzer Lauf der Limmat entlang und dann abwarten.

Es gibt zwei Sachen, die ich an solchen Events hasse:

1) die Nervösität vor dem Lauf, das ich nicht mehr schlafen kann, dass die Tage vorher so schleppend vorbeiziehen, dass ich fünfmal den Koffer wieder auspacke

2) die Untätigkeit nach einem Lauf, wo ich mindestens eine Woche keinen Sport treiben sollte

Am Freitag nach Grindelwald, im Zug ab Interlaken mit einer Holländerin gesprochen, die den 51er machen wollte und dafür mangels Bergen in Holland im Treppenhaus trainiert hat.

Das Hotelzimmer bezogen, die Start-Nummer nach längerem Anstehen und genauem Prüfen des Rucksackinhaltes bekommen (während des Laufes wurde nie mehr kontrolliert!!!), Ravioli in einem Restaurant gegessen (die kleine Portion, dafür gab es noch zwei Wähen).
Info am Abend und dann ins Bett, wachgelegen, ich war zu nervös und hatte Angst vor dem Verschlafen trotz dem Weckerstellen. Ich bin dann nicht zum Morgenessen gegangen, habe zwei, drei Maiswaffeln mit Erdnussbutter gegessen und vergessen den Powerbar Riegel vorher zu nehmen.

Um halb fünf der Start, beste Bedingungen. Stöcke im Rucksack, die hätte ich von Anfang an brauchen können, auch Stirnlampe, doch es waren genug mit Licht unterwegs.

Es lief sehr gut, fast keine Fussbeschwerden und irgendwann gar keine mehr. Ich trat einfach vorsichtiger auf mit dem rechten Fuss.

Dafür meldete sich am linken Fuss eine Blase. Zum Glück hatte ich am Vorabend noch Compeed eingekauft, so konnte ich das draufkleben und nach 20 Minuten spürte ich nichts mehr.

Es ging blödsinnig rauf und runter, First nach Bort runter war sehr steil auf Asphalt, dann zum First hinauf auf dem Weg, der eigentlich nicht gemacht war für jemanden, der nicht schwindelfrei ist.
Ich konzentrierte mich auf die Schuhe des Vordermann, ein Läufer, der beim Briefing neben mir sass und mit dem ich ins Gespräch gekommen war (trainiert 5-6 Stunden pro Woche, da seh ich schon alt aus mit meinen zweieinhalb).

Ab Bussalp hatte ich Probleme, es wurde mir wieder mal schwindlig, es gab kein Cola  und ich brachte fast kein Wasser mehr runter, zum Essen musste ich mich zwingen.

Hinauf zum Faulhorn war die Hölle. Ständig die Fragen, wieso ich mir das antue. Oben gab es dann Cola und ich erholte mich.

Der Weg zur Schyinigen Platte war endlos, aber gut zu laufen, oft leicht hinunter, wo ich Gas geben konnte.

Dann runter nach Burglauenen. Das war der Hammer. Technisch sehr schwierig, sehr steil nach unten und es ging zwischendurch auch hinauf, mit dem hatte ich nicht gerechnet.

In Burglauenen habe ich mich massieren lassen, es gab Magnesium, weil ich auch Krämpfe bekam, aber essen konnte ich fast nichts mehr, ich konnte nichts mehr hinunterschlucken. Einzig Geld ging hinunter, ich drückte Gel hinein und Cola. Gel mit Koffein und Gel salty.

Mit Mägi telefoniert, ein anderer Läufer half mir das Telefon abzunehmen, weil ich nichts mehr sah. Der Läufer musste aufgeben wegen Magenproblemen und wünschte mir Glück.

 Als ich von Burglauenen weglief, kam ein Läufer daher und wir schwatzen und er fragte, ob er mit mir rennen darf. Ich war noch so froh, doch stellte sich weiter vorne heraus, dass er direkt nach Grindelwald musste und ich konnte ihn nicht überreden, den Umweg via Eigertrail zu nehmen.
Ab hier waren wir 101er wieder allein und ich lief über eine halbe Stunde ohne jemanden zu sehen. Dann schloss Clive auf mich auf, ein Engländer, den ich gleich als Pacemaker buchte. Ich quatschte die ganze Zeit und es war sehr unterhaltsam mit ihm.

Nur Wengen wollte und wollte nicht kommen. Weiterhinauf als Höhe Wengen und wieder hinunter.

In Wengen regnete es kurz. Ich nahm Essen mit, aber trank nur Cola. Ich konnte die Gels und Riegel nicht mehr sehen.

Mit Clive weitergezogen. Eine andere Gruppe schloss sich uns an, ich begann mit denen zu reden, da war Clive plötzlich hundert Meter weiter vorn und ich konnte die Lücke nicht mehr schliessen.

Da fing, nachdem ich einen salty Gel genommen hatte, meine grosse Krise an.
Mir wurde schlecht, die Krämpfe in den Beinen kamen häufiger und waren hartnäckig, mein linkes Ohr war zu und ich hörte mich selber schnaufen, wie in einem Film mit Astronauten und es war steil. Endlich waren wir aus den Bäumen raus, da kamen die Lawinenabsperrungen.

Mägi und ich sind ja letztes Jahr hinaufgelaufen und ich hatte recht Probleme mit dem Ausgesetztsein. Hier konzentrierte ich mich wieder auf den Vordermann und wir liefen den obersten Teil auch auf einem einfacheren Weg. Ich konnte leider nicht mehr reden, ich verstand mich selber nicht mehr, da mein Ohr zu war.

Ich musste mich ins Gras legen und wäre gern liegen geblieben. Nahm aber den nächsten Läufer wieder als Vordermann. Es war so verdammt hart hinaufzukommen.

Mägi kam mir ein Stück entgegen, ich hatte Tränen in den Augen vor Freude, sie zu sehen. Sie erzählte mir später, dass ich wie eine Leiche ausgesehen habe. Auf dem Männlichen stürzte ich ins Restaurant, ich wollte mich einfach nur noch hinlegen.

Das tat ich auf einer Bank und begann zu zittern am ganzen Körper.

Ich sagte Mägi, sie soll einen Arzt holen. Es kam eine Samariterin mit Decken und sie legte mir eine Infusion mit Salz und Zucker.

Es ging mir bald besser, ich trank eine Gemüsebouillon (an den Stationen gab es nur Fleischbouillon), die Infusion dauerte 45 Minuten. Mägi und die Frau rieten mir ab weiterzulaufen. Ich überlegte hin und her, aber als ich mir vorstellte, wie schlecht es mir wieder gehen könnte, beschloss ich abzubrechen.

Ein Deutscher wurde neben mir verpflegt, er hatte dieselben Probleme, konnte nichts mehr essen und bekam eine Infusion. Er musste schon den Zugspitzlauf abbrechen und wollte unbedingt weiter. Seine Frau und sein Vater waren dort. Wie ich später sah, brach er auch das Rennen in Männlichen ab.

Ich hatte 68 km und ca. 5000 Höhenmeter geschafft.

Mit Gondel runter nach Grindelwald, von der Station hinauflaufen ins Dorf, dort gab es im Hotelrestaurant Shorley und ein alkoholfreies Bier. Essen konnte ich nichts. Dafür schlafen, wenigsten ein paar Stunden

Ich holte den Depotsack von Burglauenen selber ab, morgens um halb sechs und traf unterwegs auf Clive, der fertiggelaufen war in etwas mehr als 24 Stunden und davon erzählte, wie gefährlich der Abstieg auf dem Eigertrail in der Nacht war.

Mein erster DNF und es tut weh. Vor allem hätte ich noch genügend Zeit gehabt, die restlichen 30 km zu laufen. Doch es lässt sich nicht mehr rückgängig machen. Ich hoffe, der nächste Lauf lässt mich das vergessen.