Mittwoch, 24. September 2014

2014 Trailrunning im Valais (PTT) - Trail des Dents du Midi


Trail des Dents du Midi




Unsere Ferienplanung im Herbst ist relativ einfach. Wir fahren in die Berge, zum Wandern und Mountainbiken entweder nach Bayern, Tirol (Süd oder Nord) oder wir bleiben in der Schweiz.

In diesem Jahr erzählte ich meiner Frau von diesem Juwel in den Walliser Alpen, Champéry. Irgendwann habe ich ihr auch gebeichtet, dass während unserer Ferienzeit ein Lauf stattfinden würde.

Um ihren Protesten zuvorzukommen, relativierte ich das Vorhaben: nur wenn ich mich genügend erholt hätte vom Irontrail vor 5 Wochen, nur wenn das Wetter gut wäre und wir beide, die nicht ganz schwindelfrei sind, die Passage Pas d’Encel meistern könnten.

Damit war „die beste Ehefrau von allen“ einverstanden (kennt noch jemand dieses Zitat oder musst du googlen?). Ich konnte sie sogar überreden, die erste Etappe selbst zu laufen.


Auf einer Wanderung am Montag vor dem Lauf passierten wir Pas d’Encel zweimal und es war tatsächlich keine einfache Sache, für uns grenzte es an alpine Kletterei , Ketten waren zwar vorhanden, aber wer nicht absolut trittsicher und schwindelfrei ist, sollte es sich gut überlegen.

Seit ich Kind bin, habe ich Türme gemieden und schon mehrfach bin ich in den Bergen auf allen vieren gekrochen. Durch die Läufe in den Bergen hat sich das im letzten halben Jahr massiv gebessert, ich muss mich einfach auf den Weg konzentrieren und sollte nicht zu fest in die Tiefe schauen.
Damit war der Weg frei für meine zwei noch benötigten UTMB Punkte für 2015.
Wir meldeten uns kurzfristig an, drei von vier Wetterprognosen sagten keinen Regen voraus.

Um sechs Uhr morgens liefen wir mit etwa 300 anderen Verrückten los, 57 Kilometer und 3700 Höhenmeter lagen vor uns, die zeitliche Limite betrug 15 Stunden.
Bis zu den Lac d’Anteme waren schon mal die ersten 1000 Höhenmeter zu erklimmen, inzwischen tagte es auch. Die Wege waren schlammig, es hatte am Vortag reichlich geregnet.

Sobald es hinunterging, musste meine Frau einen Gang zurücknehmen. Dabei wurden wir von allen überholt und bald waren wir die letzten, nur noch ein Pole begleitete uns immer wieder ein Stück. Er war schneller hinunter, hinauf holten wir ihn wieder ein.
Viel reden hätten wir sowieso nicht gekonnt: Zu unserer Zeit gab es in der Schule noch kein Frühfranzösisch in der Primarschule. Mit meinem Französisch konnte ich mich nur gerade für die Cola bedanken. Behält ja das Frühfranzösisch bei (einige Kantone in der Schweiz wollen das abschaffen), damit ihr euch später mit euren Kollegen beim PTT unterhalten könnt (VTT ist das Vélo-Tout-Terrain, allgemein bekannt unter dem Namen Mountainbike, zu Fuss muss das dementsprechend Pied-Tout-Terrain heissen).




Nach den 1000 Höhenmetern ging es noch ein wenig hinauf und hinunter, aber eher flach nach Soi, einem Verpflegungsposten und dann mehrheitlich hinunter bis nach Vérossaz, dem Tiefpunkt des Laufs auf 810 Metern gelegen.



Hier fand auch die Uebergabe an den zweiten Läufer statt für die, die zu zweit den Lauf absolvieren (TRAIL RELAIS mit zwei Relayeuern). Die dritte Variante ist, am Freitag starten, einmal übernachten und die Strecke in zwei Tagen zu bewältigen. Ideal für vernünftige Leute.

Meine Frau war erschöpft und  froh im Ziel zu sein.  Ich bat sie, Riegel zu essen und vom kohlenhydrathaltigen Getränk zu nehmen. Wir verfolgten die Elite Läufer, die drei Stunden nach uns gestartet waren und uns nach etwa fünf Stunden bereits überholten.

Es ging ihr nach dieser Pause besser und sie wollte noch eine Etappe mitmachen bis nach Mex, bis dorthin waren es etwa 300 Höhenmeter von den 1400 Höhenmetern von Vérossaz bis zum Col du Jorat auf 2200 Metern.
In Mex war das Beenden des Laufs aber kein Thema mehr. Wir kamen langsam aber stetig voran. Erst nach Mex ging es ans Eingemachte. Wir mussten weg von der Strasse und praktisch vertikal nach oben.



Wir zwangen uns zu essen und zu trinken und nicht länger anzuhalten. Wir sahen das Ziel näherkommen mit jedem Schritt und irgendwann waren wir oben.
Jetzt ging es hinunter, aber kaum eine Rede von laufen lassen, es war zu technisch, immer wieder verblockte Stellen, Hindernisse, kaum aufgeräumte Wege. Wer will sich da beklagen, wir sind ja schliesslich Trailrunner.

Es beginnt zu regnen beim Verpflegungsposten am See, das stört uns kaum, die Nahrung baut uns wieder auf und dank Cola ist die Batterie wieder bald bei 100%. Noch 500 Höhenmeter, ist doch ein Klacks. Doch je länger ein Rennen dauert, desto länger werden die Kilometer, desto höher die Höhenmeter, muss irgendein physikalisches Gesetz sein.

Vom Pas d’Encel war schon die Rede, dass uns aber beim Col du Susanfe ebenfalls eine Kletterei erwartete, das war neu. Doch irgendwann sind einem die Abgründe, die schmalen Wege, die Ketten egal, man will nur weiter. Also gar nicht beeindrucken lassen.


Mondlandschaft pur auf dem Sattel und wieder geht es hinunter, langsam läuft uns die Zeit davon. Jeder Abschnitt benötigt mehr Zeit. Bei der Hütte von Susanfe kaufe ich Batterien für die Stirnlampe und Cola, meine Frau läuft inzwischen weiter. Ich treffe nach der Hütte den Polen an und irgendwann auch meine Frau. Wir haben noch eine Stunde bevor es dunkel wird. Ziel ist es, möglichst viel noch bei Tageslicht zu bewältigen. Der Pole verabschiedet sich, hinunter läuft er ein zügigeres Tempo.

Jetzt der Pas d’Encel.  Ein Helfer begrüsst uns kurz davor, wir seien die letzten Läufer und er werde uns begleiten. Er hilft uns über die schwierigen Stellen, zwei junge Leute aus Champéry kommen von hinten dazu und begleiten uns. Irgendwo mitten im schwierigsten Gelände hocken noch drei fröhliche Zuschauer auf einem Felsen mit gefüllten Weissweingläsern, das Walliser Cliché schlechthin, und offerieren uns ein Gläschen, das wir dankend ablehnen.

Es wird knapp mit dem Streckenschluss von 21 Uhr. Der Helfer (leider habe ich mich nicht nach seinem Namen erkundigt) ist bereit, mit mir ins Tal zu sprinten und die zwei Jungen wollen meine Frau begleiten, eventuell bis zum Parkplatz, sollte es nicht mehr reichen.

Wir beide rennen los, er mit Seil und schweren Bergschuhen.  Vor acht Uhr wird es dunkel, noch eine Stunde Zeit bis ins Ziel. Unterwegs treffen wir auf den Polen und nehmen ihn mit. Es geht jetzt steil nach unten, da wäre noch eine Strasse, doch wir halten uns an den vorgeschriebenen Trail, Rutschen gehört dazu. Der Helfer wechselt beim Parkplatz nach Bonavau seine Schuhe und plötzlich muss ich mich anstrengen, um an ihm dranzubleiben. Er hält seine Taschenlampe zu uns nach hinten, ich bedanke mich des öftern dafür und hör nur immer: Service.

Im Grand Paradis, ein paar Kilometer vor Champéry, mag der Pole nicht mehr rennen, der Helfer bleibt bei ihm und ich mach mich alleine auf. Im Dorf ist es ausgestorben, zwanzig Minuten vor dem Streckenschluss bin ich im Ziel und habe mir die zwei Punkte für den UTMB gesichert.


Der Pole kommt fünf Minuten später und ein Wunder geschieht, ich weiss nicht, wie sie es geschafft hat, aber noch innerhalb der Toleranz erreicht meine Frau das Ziel in Champéry, nach 57 Kilometern und mehr als 3‘700 Höhenmetern.

Ich begrüsse sie im Club der Trailrunner und Ultramarathonis. Einem Club, dem sie nie angehören wollte.

Ist der Lauf zu empfehlen: 

Absolut, die Strecke ist einmalig, die Leute sehr hilfsbereit und über kleinere Mängel muss man bei diesem fast familiären Anlass hinwegsehen.

Ein Trail, dem man mehr Läufer und Läuferinnen wünscht.