Mittwoch, 6. September 2017

2017 UTMB - Ein erster Versuch








Link zum Video

Es sollte nicht meine Nacht, nicht mein Wetter werden. 
Vielleicht ist es auch nicht mein Rennen, eine Nummer zu gross, aber natürlich werde ich es weiterhin versuchen, den UTMB mit seinen 170 Kilometern und 10'000 Höhenmetern innerhalb von 46,5 Stunden zu bewältigen.

Dabei hatte ich ausnahmsweise keinen Schwindel, nie wurde mir übel. Ich war hingegen kraftlos, schon auf dem ersten grossen Aufstieg zum Col de Bonhomme, der Magen bekam zu wenig für diese Riesenanstrengung und für diese Kälte. 

Ein paar Gels, Nudelsuppe, Kuchen und Biberli. 

Das ist mein Dilemma: Wenig Essen ist gut, da wird mir nicht übel. Mehr Essen ist gut, dann mag ich zulaufen.
Mit wenig Essen fehlt mir die Kraft, mit viel Essen wird mir schwindlig.

Irgendwann brachte ich aber kaum etwas hinunter, ich musste die Gels hinunterdrücken und dabei aufpassen, dass es nicht wieder hochkam.

Ich hatte durch die Kälte und das wenige an Nahrung zu wenig Kraft. Ausser nach Saint Gervais bis nach Les Contamines. Da hätte ich Bäume ausreissen können. Vielleicht war ich da auch zu schnell unterwegs. Ich überholte bergauf dutzende von Läufern. Ich musste auch dranbleiben, weil die Durchgangszeiten recht knapp bemessen sind.
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Mit Christian, meinem bewährten Supporter vom Bieler und vom Eiger, war ich am Mittwoch nach Chamonix gefahren. In seinem VW Bus fanden wir einen Platz im Camping «les deux Glaciers». Und tatsächlich hingen die beiden Gletscher oberhalb unserem Platz am Felsen. Sah nicht so vertrauenserweckend aus nach den Ereignissen in Bondo im Bergell, wo der Berg heruntergekommen war. Zudem krachte es oben öfters. 




Später erfuhren wir, dass das von Bauarbeiten herrührte. Der Camping-Platz hatte auch schon bessere Tage gesehen, er entsprach nicht den drei Punkten, die er auswies, vor allem im sanitären Bereich.

Am Mittwoch holten wir die Nummer nach einer Stunde anstehen ab.



Auf der Messe trafen wir einige bekannte Läufer unter anderem Sage Canaday, den ich auf youtube verfolge.

Link zu Sage's Race Report




Am Donnerstag konnten wir nicht viel unternehmen, es regnete den ganzen Tag. 




Am Freitag legte ich mich nochmals hin, sortierte alle Utensilien, ass die ganze Zeit Brot, Kartoffeln und Haferflocken 




und dann fuhren wir nach Chamonix.

Die Atmosphäre ist schon unglaublich. Und es blieb trocken, der angekündigte Regen blieb aus. Aber kalt war es. 

Im Startgelände traf ich auf Wolfgang, auch ein Ultra-Trail Süchtiger. Ihm stellten sich die Nackenhaare auf beim Lied «Conquest of paradise». Ich war dazu viel zu nervös.



Endlich ging es los und während hunderten von Metern wurden wir von Zuschauern angefeuert. Das war schon speziell schön.

Wie nicht anders erwartet, ist man zu Beginn von Läufern umgeben, auf dem Weg nach Saint-Gervais gab es sogar Stau. Von hinten kam Martin Hochuli und sprach mich an. 




Letztes Jahr bei seinem ersten Versuch lief er bis Arnouvaz (96km) und hörte dann auf. In diesem Jahr sollte es klappen, er schaffte den UTMB. Er lief auch zügig und war bald auf und davon. 

Die Strecke ist sehr gut beschildert, trotzdem lief ich einmal falsch, weil ich den Vorderleuten nachlief, bis sie mir wieder entgegen kamen.




Von Beginn an fühlte sich mein Bauch nicht gut an. Irgendetwas lag mir quer im Magen. Zum Glück besserte sich das nach etwa einer Stunde.

Vor Saint-Gervais begann es zu regnen, ich zog mit Hilfe eines Zuschauers meine Regenjacke an, musste sie aber nach zehn Minuten abziehen, weil es bereits wieder aufgehört hatte. Es war viel zu warm mit Regenjacke. Das sollte noch eine Rolle spielen. Oben war es sehr kalt (mit Wind Chill Faktor soll es minus 9 Grad gewesen sein) und in den Dörfern war es etwa 15 Grad wärmer. 

Wenn man sich nicht ständig umziehen will, schwitzt man in den Tälern und mit den nassen Sachen am Körper friert man in der Höhe. Nicht wenn man läuft, aber sobald man stehenbleibt.

Vor La Balme freute ich mich auf die Nudelsuppe. Doch die Nudeln waren ausgegangen, es gab nur Suppe.

Der Col du Bonhomme (2456m) war ein harter Brocken. Ich machte mir Sorgen. 
Was, wenn mir jetzt schwindlig würde mitten in der Nacht, so weit weg von der Zivilisation (beim Irontrail scheinen mir die Distanzen nicht so weit). 

Die Lichterketten sind beeindruckend, ich hätte mich gerne länger umgesehen, dazu war es aber viel zu kalt. 




Ein eisiger Wind blies. Die Wege waren ok, nur zwischendurch war es schlammig. Aber dafür, dass es am Donnerstag nur geregnet hatte, waren die Wege recht trocken. 

Oben hast du immer das Gefühl, jetzt bist du zuoberst, aber dann geht es nochmals um eine Ecke und du siehst weiter oben weitere Läufer. Das ist es dann und ja, da ist ein Sanitätszelt, das wird es sein. Ist es aber nicht, es geht weiter und irgendwann siehst du wieder weiter oben wiederum Läufer. Ich kenne keinen verwirrenderen Gipfel als den Col du Bonhomme. Rechne nie damit, dass du oben bist. Lass dich überraschen.

Ich schaffte es runter bis Les Chapieux und fühlte mich gar nicht gut.

Mit der Nudelsuppe setzte ich mich hin und wurde von einem Schweizer angesprochen, der davon sprach, dass er aufgegeben hat und in einer Viertelstunde fahre ein Bus nach Courmayeur. Das hörte sich an wie eine süsse Melodie: Bus nach Courmayeur. Das klang recht verführerisch.

Sollte ich in meiner Verfassung wirklich noch den Col de la Seigne (2516m) hoch?

Ich hatte keine Probleme mit dem Magen, der fühlte sich einfach an, als würde er aus Mangel an Nahrung sich selber aufessen. Aber mein Kreislauf schien nicht rund zu laufen. Ich hatte Mühe mit Atmen, mein Brustkorb war eingeengt und ich hatte wenig Kraft. Immer wieder musste ich anhalten und ausruhen.

Wenigstens die Hälfte sollte es schon sein.

Also verabschiedete ich mich vom Schweizer und lief wieder los, den Col de la Seigne hoch. 

Für die 1000 Höhenmeter brauchte ich drei Stunden, wahrscheinlich ein Negativrekord. Der Tag dämmerte langsam, der Himmel war aber wolkenverhangen. Die Szenerie nicht speziell, halt fast wie überall in den Bergen. Als Schweizer muss man deswegen nicht nach Chamonix. 
Wie durch ein Wunder blieben wir vom Regen bis auf ein paar Tropfen verschont, während es in Chamonix kräftig regnete in dieser Nacht.

Auf dem Weg nach unten traf ich auf den ältesten Teilnehmer, den 75jährigen  Christoph Geiger aus der Schweiz. 




Er war zum sechsten Mal dabei und hatte vor zwei Jahren einen Finish. Unglaublich, das in dem Alter. Er kämpfte mit Magenproblemen und hat an einem Verpflegungsposten vor Courmayeur aufgegeben.




Beim Lac Combal herrschte Verwirrung wegen der Schlusszeiten. Mir blieben nur zehn Minuten, ich verschlang Kuchen, Gel und Suppe und lief weiter.

Ein letzter Hügel mit zusätzlichen 450m lag vor mir, Mont-Favre (2434m).

Alle bewegten sich jetzt im Tempo von Mount Everest Besteigern, die in der Todeszone unterwegs sind. 

Oben steht eine Hütte, das muss der Gipfel sein. Ist es aber nicht. Weiter hinauf. Meine Garmin würde mir ja genau sagen, ob ich oben bin, dazu müsste ich aber meine Brille aus dem Rucksack holen und das Profil studieren. Das war mir zu umständlich und oft ist die Info auf der Uhr so entmutigend. Ich hätte auch die warmen Handschuhe abziehen müssen.

Ich hatte noch welche kaufen wollen in Chamonix. Christian und ich liefen in etwa 10 Sportgeschäfte und oft empfingen sie uns mit den Worten, dass sie keine wasserdichten Handschuhe mehr hatten.

Ausser ausgangs Dorf, da hatten sie noch welche und die waren Gold wert bei diesem Lauf.

Die letzten 800 Meter runter von Col Checruit nach Courmayeur waren eine rechte Herausforderung. Es war sehr steil, hatte viele Stufen und sogar auf dem Weg nach unten musste ich kurze Pausen einlegen.
Jetzt wurde ich das erste Mal von vielen Läufern überholt. Alle mussten sich beeilen wegen der Schlusszeit von 13 Uhr in Courmayeur.

Ich wollte auch noch gewertet werden, brauchte aber keine Zeit-Reserven, um zu essen und mich umzuziehen. 

Christian wartete vor dem Dorf, wie schön war es, ihn anzutreffen, und er begleitete mich bis zum Sportzentrum. Dort musste ich nicht lange überlegen und hatte auch nichts zu bedauern. Ich meldete mich vor 13 Uhr vom Lauf ab und sie schnitten mir unten rechts auf der Nummer ein Viereck aus. 

Aus und vorbei.

Und gut war’s.



Christian stellte fest, dass in beiden Augen je ein Äderchen geplatzt war. Das entsteht anscheinend durch Überanstrengung. 

Dramen spielten sich nun in der Halle ab. Läufer und Läuferinnen, die weiter wollten, aber erst nach 13 Uhr eintrafen. Sie verstanden die Welt nicht mehr. Einer setzte sich hin und heulte los.

Es war auch Verwirrung entstanden durch das Streichen von zwei Bergen und dem um eine halbe Stunde verschobenen Start.

Eigentlich war Schluss um 13.15 Uhr, dazu eine halbe Stunde für den verspäteten Start ergibt 13.45 Uhr. Davon zogen sie uns für den einen eingesparten Berg 45 Minuten wieder ab. Ergibt 13 Uhr. 
Was aber nicht viel Sinn ergibt. Zwei Berge gestrichen, dafür 30 Minuten weniger Laufzeit und dann soll der eine Berg 45 Minuten wert sein.

Das wurde zwar am Vortag kommuniziert. Offensichtlich war ich nicht der einzige, der es nicht genau studiert hatte!

Beim Herausgehen trafen wir Wolfgang und seine Frau. Er hatte dieselben Probleme wie ich. Während dem Rennen denkt man die ganze Zeit, ich mach das nie mehr, wieso soll ich mich so quälen. 

Normalerweise ist das Verhältnis ok. Achtzig Prozent geniessen und sich freuen und zwanzig Prozent Qual. Hier beim UTMB in diesem Jahr war das Verhältnis für mich umgekehrt.

Und dennoch: schon beim Gespräch mit Wolfgang sprachen wir vom nächsten Mal und was wir besser machen könnten.

In Courmayeur tranken wir in einer Bar einen Kaffee und ich trank gleich zwei von meinen Soja Schokoladen Getränken. Danach standen wir mit dem VW Bus in die Schlange vor dem Mont Blanc. Es dauerte zwei Stunden bis wir zurück auf unserem Zeltplatz waren. Das war mir jedoch so was von egal. Hauptsache sitzen in der Wärme.

Wir beglichen die Rechnung vom Zeltplatz und fuhren nachhause. Bereits um 22 Uhr war ich am Samstag zuhause. Der Gedanke, dass ich jetzt noch unterwegs sein könnte, liess mich erschauern.


Die Lehren:

Mehr Training, 10 Stunden pro Woche sind offenbar zu wenig
Mehr strukturiertes Training, evtl. Personal Trainer suchen
Regelmässige Sportmassagen und Pilates für’s Dehnen
Weniger Rennen, 51er beim Eigertrail und Irontrail auslassen
Erst am Wettkampf-Tag anreisen 




Von den 57 gestarteten über 60jährigen Läufern sind 14 ins Ziel gekommen.  75% der über 60jährigen haben aufgegeben.

Vielleicht müssten wir um längere Laufzeiten nachsuchen für Senioren oder nur schon eine bessere Aufteilung. Hat man doch für die erste Hälfte nur 19 Stunden Zeit und für die zweite Hälfte ganze 27,5 Stunden. Hier meine Daten:






Link zu UTMB Live-Trail





Donnerstag, 3. August 2017

2017 Irontrail - T133 - Ein Familienausflug

Irontrail - T133
133 Kilometer und 6'960 Höhenmetern

Video

3d Video


Die Hauptprobe, ein 50 Kilometer Nachtlauf oberhalb des Sarner See, wurde zum Fiasko. Meine Tochter Aselia und ich konnten schon bald nichts mehr essen. Bei eingeschalteter Stirnlampe machten uns Falter das Leben schwer und wir kamen nur sehr schleppend vorwärts. Ein Lauf, der uns überhaupt keine Freude bereitete.

Ich machte mir keine Illusionen. Wieso sollte es über einen doppelt so langen Lauf besser laufen? Mein Ziel war es, meinen Schwiegersohn, Fabian, ins Ziel zu bringen, damit er die Punkte für die UTMB Anmeldung bekommt. Ich sah Aselia und mich als Supporter, die ihn so lange wie möglich begleiten wollten.

Als die Tochter aber erwähnte, dass sie unbedingt finishen möchte, damit sie das nächste Jahr ruhiger angehen könne, wurde der Druck auf uns noch grösser.

Im Zug nach St. Moritz trafen wir einen weiteren Läufer, Hansueli



In St. Moritz trafen wir Hansjörg, den ich von anderen Läufen her kenne. Er war am Start, zusammen mit Hansruedi, dem ältesten Teilnehmer.

Die Namens Verwirrung mit so vielen Hanses war komplett.

Mit einem Paukenschlag sollte der Start erfolgen. So hatte ich mir das aber nicht vorgestellt. Wir waren tatsächlich in einem Parkhaus. Im Gebäude drinnen roch man die Abgase, weiter vorn beim Ausgang zog es und war kalt.
Irgendwie ging die Zeit vorbei und wir starteten nicht via Seestrasse, wir mussten die Treppen hoch in die Einkaufsstrassen von St. Moritz.



St. Moritz – Maloja / 25 km – 975 Höhenmeter

Wir liefen um 22 Uhr los und schon bald ging es hinauf. Wir waren so ziemlich am Schluss des Feldes.




Irgendwann in der Dunkelheit trafen wir auf andere Läufer, die keine Markierung mehr fanden. Wir liefen zielstrebig weiter und nahmen sie mit und liessen sie schon bald wieder an uns vorbeiziehen.

Als es wieder hinunterging, erkannte ich den Weg vom letzten Jahr. Wir waren jetzt auf dem gleichen Weg unterwegs wie die vom T214. Bis zum Schluss führten nun beide Wettkämpfe auf der gleichen Strecke bis nach Davos. 

Zum Glück waren wir zu dritt, ansonsten wäre es eine einsame Geschichte geworden.

Wir liefen jetzt dem See entlang nach Maloja, der ersten Verpflegungsstation. Die Veranstalter hatten nur noch fünf eingerichtet. Fünf weitere wurden nicht mehr aufgeführt (Alp Flix, Tiefencastel, Hörnli, Medergen, Jaz).

Ich hatte mich nach Maloja quälen müssen, ich fühlte mich nicht wohl. Ein wenig schwindlig. Meiner Tochter ging es noch schlechter, sie konnte nichts essen und legte sich im Ruheraum hin.



Fabian und ich schauten uns an. Müssen wir schon so früh nur noch zu zweit weiter?

Sie kam nach zehn Minuten zurück, setzte sich hin und begann zu essen. Sie zwang sich dazu.
Ich ass soviel, wie noch nie. Am Eiger war meine Taktik mit nur Wasser und Gels nicht aufgegangen. Hier wollte ich auf normales Essen zurückgreifen.

Hansruedi war unterkühlt, er hatte es beim Laufen nicht bemerkt und daher zu wenig angezogen. Jetzt sass er in Maloja in Decken eingehüllt mit einer Körpertemperatur von 34 Grad. Er musste aufgeben.

Hansueli war vor uns angekommen und wie ich der Rangliste entnehme, lief auch er in Maloja nicht mehr weiter. Was vernünftig war, hatte er sich doch Tage zuvor eine Erkältung zugezogen.

Maloja – Bivio / 18 km – 1'271 Höhenmeter

Meiner Tochter ging es nun besser, nicht gut, aber es reichte, zum weiterlaufen. Es ging jetzt steil hinauf. 





Jetzt war ich es, der den beiden nicht mehr folgen konnte. Ich hatte keine Kraft, mir war schwindlig, wahrscheinlich hatte ich zuviel im Magen, und ich machte schon Überlegungen, die Sportart zu wechseln. Wieso nicht Golfen? So viel teurer kann das nicht sein, wenn man es mit Trailrunning vergleicht und die Kosten für solche Läufe mit Übernachtungen miteinbezieht.





Beim Lunghinsee war ich am Ende meiner Kräfte. 

Doch auf Gels zurückgreifen? Ich nahm einen und lief mit den anderen los. Jetzt hellte sich alles auf, es wurde Tag, das brachte Kraft zurück und der Gel wirkte Wunder.



Ich war glücklich und zufrieden, ich hatte Energie und keinen Schwindel mehr.

Mit niemanden hätte ich jetzt tauschen wollen, unterwegs in der Bergwelt des Engadins bei blauem Himmel und angenehmen Temperaturen. Aselia hatte sich inzwischen ebenfalls erholt und wir liefen frohen Mutes Richtung Bivio.







Von hinten kam Max, ein schneller T214 Läufer, der Probleme mit
der Nahrungszufuhr hatte (wie so viele) und in Maloja 6 (sechs!) Stunden geschlafen hatte und darum am Schluss des T214 lief. In der nächsten Kurve musste er schon wieder wegtreten.






Ich wusste, dass die Strecke gegenüber dem Vorjahr geändert wurde, ein neuer Berg kam dazu, Forcellina mit Blick ins Averstal auf Juf. Wir kamen extrem langsam vorwärts, der Weg war sehr technisch.

In Bivio fühlte ich mich gut, nur freute ich mich gar nicht auf die Strecke bis Savognin. Ich wusste, die hört nie auf.
Ich ass Gels und wenig Banane, dazu ein paar Bissen Schokokuchen. Aber immer noch kein Cola.




Max traf nun ein und wusste nicht mehr weiter. Ich empfahl im Salztabletten von Sponser, die ich alle ein oder zwei Stunden eingenommen hatte. Ich gab ihm vier Stück und er zog los.

Bivio – Savognin / 22 km – 819 Höhenmeter

Wir waren jetzt guten Mutes, fühlten uns aber immer noch nicht sonderlich gut. Aselia und ich wollten es jedoch bis Savognin schaffen. Wenigstens das. Sich durchkämpfen bis zur Hälfte der Strecke.
Krisen kommen und gehen, manchmal bleiben sie sehr lange. Wenn man genug Willen aufbringt, kann man fast alle überwinden. Dazu braucht man aber Gels (in meinem Fall) oder Cola (für Aselia).

Es ging wieder mal steil hinauf, was ich liebe, wenn ich bei Kräften bin. Und ich war es.




Hier ein Bild vom Tracker

Wir hatten jetzt auch Wolken, die die Sonne abdeckten, es waren optimale Bedingungen. Die Wege waren meist trocken. Unsere Stimmung war gut, es ging nochmals hinauf zum Kanonenpass, dann hinunter zur Alp Flix.
Von da sind es nur 10 Kilometer, es geht hinab, da rechnest du mit 60-90 Minuten.

In den Bergen verrechnest du dich oft, die Wanderzeit war auch mit über drei Stunden angeschrieben. Der Weg war oft technisch, wo an ein zügiges Vorwärtskommen nicht zu denken war.

Gut hatte es einen Brunnen auf der Alp Flix, wir hätten sonst zu wenig zu trinken gehabt. Bei diesem Wetter hätte dort ein VP hingehört.




Wir holten Hansjörg vor Savognin ein und liefen durch Savognin, immer Schatten suchend, zum Verpflegungsposten.





Dort hatten wir unsere Utensilien hinschicken lassen. Ich wechselte die Stirnlampe, nahm die Neo Lupine, und lud meine Uhr, Garmin 935, die beste, die es gibt, auf. Dann die Batterie wechseln im Fotoapparat und jetzt hätte ich etwas essen können. 

Wenn ich nur Hunger gehabt hätte. Ich hatte einen leeren Magen, aber keine Lust irgendwas zu essen. Ich zwang mich, ein wenig Schokokuchen zu nehmen, dazu Gels. Neu haben sie Vollkorn-Teigwaren (Ur-Dinkel) angeboten. Ich weiss nicht, ob das eine gute Idee ist.



Max war auch in Savognin, die Salztabletten hatten genützt. Da er keine vom Arzt bekam, gab ich ihm noch aus meinem Vorrat und den Rest des Rennens lief er wie ein Spitzen-Läufer.

Hansjörg verliess Savognin vor uns, Aselia legte sich noch auf den Boden, ihre Auslegeordnung beanspruchte den halben Saal. Es sah wieder mal kritisch aus. Ich liess mich noch verarzten, hatte doch irgendein fliegendes Vieh mich durch die Hose gestochen, ein Teil des Stachels war noch drin und tat bei jedem Schritt weh.

Ob das ein Grund ist, dass Rennen aufgeben zu müssen? Die gute Samariterin verneinte.

So ging es weiter, Aselia hatte sich inzwischen einiger massen erholt.

Savognin – Lenzerheide / 
24 km – 1'002 Höhenmeter

Bis nach Tiefencastel blieb es hell. Bis dorthin zieht es sich und gefühlsmässig geht es 10 Kilometer hinauf und 1 Kilometer steil nach unten.
Unterwegs trafen wir noch Carmela, die uns gerne bewirtet hätte in ihrem Ferienhaus, doch wir waren froh um nur ein kühles Glas Wasser.



Mit der Nacht kamen auch die Wolken und es begann schon eindrücklich mit Wetterleuchten. Wir trafen einen einsamen Läufer aus Japan, dessen Englisch leider recht unverständlich war. Wir zogen unsere Regenjacken an. Zum Glück hatten wir in Savognin auf die gehört, die sagten, dass Regen kommen werde. 





Zum Glück blieb es jedoch warm trotz Regen, nur die Blitze und der Donner beunruhigten uns. Es ging nun steil hinauf nach Lantsch, dann der Strasse entlang nach Lenzerheide, 





dann in den Wald, dann rund um Lenzerheide in Uhrzeigerrichtung, dann das ganze nochmals in der Gegenrichtung.
Wenigstens so fühlte es sich an. Die Orientierung fiel nun schwer und es dauerte ewig bis zum Verpflegungsposten.




Dort trafen wir Hansjörg, der mit uns weiterzog. Aselia liess noch ihre Blasen am Fuss behandeln und ich legte mich kurz auf eine Matratze.
Als ich die Augen schloss, kamen Bilder, die ich nicht kontrollieren konnte. Ich versuchte, anderes abzurufen, aber es gelang mir nicht. Ich sah gerahmte Bilder von Design Gegenständen wie Föhn, Kleiderständer, Wasserkaraffen, die an mir vorbeizogen. 
Bei allen Bilder hatte es französische Erklärungen unten dran. Die Bilder zogen sehr zügig von rechts nach links an mir vorbei. Es war unheimlich.
Ich stand bald wieder auf.




Mit allem nötigen ausgerüstet, ging es weiter auf die Monsteretappe

Lenzerheide – Arosa / 
21 km – 1'546 Höhenmeter

Die Krisen holten uns bald wieder ein, was kein Wunder war, mussten wir doch gleich steil hinauf  und das um zwei Uhr in der Nacht.
Fabian übernahm die Führung und wir, Aselia, Hansjörg und ich, stapften hinterher. Einfach im Trott bleiben, gar nicht gross studieren, den Abstand zum Vordermann halten und Schritt für Schritt nach oben. Mittelstation als Zwischenziel, nicht daran denken, dass es noch weiter hinauf geht.

Aselia hatte Mühe, sie lief nach einer kurzen Pause sehr langsam los nach der Mittelstation, Fabian blieb bei ihr. Ich lief mit Hansjörg und bald hatten wir die beiden hinter uns gelassen und sahen nur noch die Lichter ihrer Stirnlampen.
Weiter unten kamen weitere Läufer, ich verlor den Überblick mit den Lichtern, verabschiedete mich von Hansjörg und lief zurück, Aselia und Fabian entgegen.

Ich musste gar nicht weit laufen, sie kamen mir schon bald entgegen. Aselia hatte sich auf wundersame Weise erholt, nahm Fabian in den Schlepptau und stapfte dem Urdenfürggli entgegen. Ich verlor schnell den Anschluss und musste sie ziehen lassen.



Als ich zum Urdenfürggli kam tagte es und die beiden waren bereits weitergezogen. Das Morgenrot war zu sehen. Es passte.

Nun hinunter und kurz hinauf zum Hörnli. Unterwegs kam ich ins Gespräch mit Markus, der Probleme hatte mit einer Blase. Ich bot ihm meine Compeed an und er nahm dankend an. So verarztete ich ihn mit zwei kleinen Pflastern. 



Plötzlich hiess es, wir müssten den Weg verlassen und weiter nach unten laufen. Ich fluchte über Tuffli, was hat er sich hier wieder einfallen lassen. Aber es war eine Vorsichtsmassnahme, auf dem ursprünglichen Weg hatte es Steinschlag.

Zum Glück war der Umweg nur von kurzer Dauer und bald kamen wir auf’s Hörnli. Da war ja früher ein Verpflegungsposten, doch im offiziellen Programm war er gestrichen worden.

Wir gross war meine Freude, als ein Helfer uns den Weg in die gemütliche Stube der Hörnli Bahn zeigte, wo meine Tochter und all die anderen mir bekannten Läufer hockten bei Kaffee und Kuchen.

Sollten wir uns bereits am bevorstehenden Finish freuen oder war es zu früh? Würden wir die Trailgötter provozieren mit zu frühem Jubel?

Noch zwei Steigungen: vom Hörnli hinunter und hinauf zum Weisshorn. Danach von Jatz noch hinauf auf den Strelapass.
Und der endlos Weg von Arosa nach Medergen

Auf dem Weg zum Weisshorn musste ich die beiden Jungen wieder ziehen lassen, ja ich musste sogar mal abhocken und durchschnaufen.





Von unten kam mir ein Läufer entgegen, Michael, und als er bei mir vorbeikam, hängte ich mich an ihn ran und beide kämpften wir uns hoch bis zum Weisshorn.




Dort hockten Aselia und Fabian am Boden, Fabian im Halbschlaf. Ich hockte zu ihnen hin, liess Michael ziehen und genoss den Ausblick, das warme Wetter, die Ruhe, die Möglichkeit, dass wir tatsächlich alle drei finishen könnten und es gab wieder Gel und Wasser.

Fabian zog los, er hatte Schmerzen am Knie und wollte langsam hinunter. Als nächstes zog Aselia los. Ich blieb liegen. Jetzt nur nicht einschlafen. Süsser Schlaf.

Irgendwann holte ich Aselia ein, beide schlossen wir zu Fabian auf




und und wir kamen unten in Arosa an.

Die befindet sich in einer Zivilschutzanlage hinter zehn Betontüren, alle zwanzig Zentimeter dick. Einer der sichersten Orte der Welt.



Es gab wenig Pasta, wieder ein paar Bissen Schokokuchen, Gel und Wasser. Als wir rauslaufen kommt uns Andreas Tuffli entgegen, der im Heli angekommen war, um die Läufer vom D21 auf die Reise von Arosa nach Davos zu schicken. Auf die Strecke, die auch wir noch zurücklegen mussten.

Arosa – Davos / 21 km – 1'072 Höhenmeter

Wir, Aselia, Fabian, Michael und ich, zogen los, kurz bevor der D21 startete. Die ersten Läufer holten uns auf der Downhill Strecke vor dem Stausee ein.

Und wie die da herunterbolzten. Unglaublich, ohne Rücksicht auf Verluste. Ich hätte dem Schauspiel gern noch länger zugeschaut, doch wir wollten weiter. Wer weiss, wie viel Zeit wir noch brauchen würden. Laut Plan müsste es vorig reichen, doch es kann noch immer so viel geschehen auf den letzten 20 Kilometern.

Ich kannte die Strecke und wusste daher, dass es meist hinaufgeht und dass Medergen nie kommt. Endlos ist der Weg. Die vielen Läufer brachten Abwechslung in unseren Marsch Richtung Davos.


Wenn hier jemand ein Gesicht erkennen will, muss er zuerst zwei Nächte lang nicht schlafen und in dieser Zeit den Puls hochhalten.




Auch in Medergen stand ein für uns nicht offizieller Verpflegungsposten, der mehr als willkommen war.




Da hinten ist der Strelapass, die letzte Hürde!



Wir schafften es nach Jatz und liefen hinauf zum Restaurant, ich war im Gespräch mit Michael und ja, wir waren alles andere als zügig unterwegs, als mich ein Mann ansprach:

«Es sind noch zwei Stunden hinauf zum Strelapass, wenn ihr so weiterläuft»

Und auf meine Frage, wieviel wir für die Strecke vom Strela hinunter benötigen würden, meinte er, nochmals zwei Stunden.

Es war jetzt nachmittag um zwei. Um sechs war Schluss, das hiess, wir hätten nur noch die von ihm angedrohten vier Stunden

Panik ergriff mich, sollte es uns in letzter Minute noch entgleiten?

Wir machten eine kurze Pause beim Restaurant, tranken und assen, der Magen war leer, aber wenn er leer ist, wird mir wenigstens nicht schwindlig. Nur noch das nötigste rein stopfen.

Es gab ein Murren, aber ich wollte den Sack zumachen. Ich befahl ihnen, sich hinter mir einzureihen, nicht mehr zu reden und in meinem Tempo hoch zu laufen. Sie zweifelten zu Recht an meinen Berechnungen, doch mir war es ernst. So liefen wir hoch bis zur Brücke, wo der letzte Anstieg beginnt.

Ich gönnte ihnen eine kurze Pause, bat dann Fabian den Lead zu übernehmen und er lief mit Aselia los. Ich mit Michael hinterher. Wir beide waren jedoch langsamer als die beiden jungen Kücken.



Ein letztes Mal einfach nur laufen, nicht nachdenken, nicht auf die Uhr schauen, die die Höhenmeter nur zehnfach verzögert angibt im Vergleich zum Bauchgefühl.

Wir hatten mit einer Bruthitze gerechnet, der Trailgott hatte jedoch ein Einsehen und deckte die Sonne mit Wolken ab.

Strelapass. Irgendwann war die Idee entstanden, dort oben ein Glacé zu essen. Als wir jetzt alle oben standen, wollten wir nur noch runter.

Solange es Trail hatte, rannten wir hinunter. 





Ab der Strasse oberhalb der Schatzalp liefen wir nur noch, die Fuss-Sohlen brannten. Jetzt nur noch geniessen. Wir hatten noch genügend Zeit. Die Berechnungen des guten Mannes von Jatz waren komplett übertrieben.


Wir waren jetzt vor dem Touchdown in Davos. Noch immer hatte es D21 Läufer um uns. Deshalb wollte ich eine Lücke suchen, die uns ein alleiniges Laufen über die Ziellinie sichern sollte. Michael war bereits im Ziel, und nach einigem Warten vor dem Stadion (und einigem Kopfschütteln von Aselia und Fabian) liefen wir alleine zu dritt ins Stadion.





Es war, als hätte sich ganz Davos versammelt, es war ein triumphaler Einzug, die Nackenhaare stellten sich auf, der Speaker empfing uns und sprach was von Familie, T133 und er sagte auch noch was von, wir seien Finisher.



Finisher!!

Ich kann es heute noch nicht glauben, dass wir es geschafft haben. Wir hatten uns trotz allen Körpersignalen durchgesetzt und den Körper gezwungen, bis zum Ziel durchzuhalten.

Wir waren über 42 Stunden unterwegs ohne Schlaf und ohne die nötigen Kalorien zu uns zu nehmen.
Wir hatten Schmerzen, wir hatten Halluzinationen, wir hatten Blasen, wir hatten Hunger, wir hatten Durst, wir hatten gelitten. Von diesen 42 Stunden waren etwa 5 Stunden die Hölle, sieben Stunden waren schwierig und die restlichen 25 bis 30 Stunden waren eine gefreute Sache.

Wir freuten uns an der Natur, an den Tieren, an den Bergen, den Pflanzen, wir freuten uns am herrlichen Wetter, wie geschaffen für Trailrunner, den herrlichen Trails, wir freuten uns an Gleichgesinnten, an Leidensgenossen, an Freudensgenossen und an der eigenen Leistung.

Wir freuten uns an der Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der Helfer, die uns während der langen Zeit unterstützten.



Von 128 gestarteten Läufern kamen 77 ins Ziel (60%).