Mittwoch, 19. August 2015

2015 Irontrail - Schwindlige Berghöhen





Schwindlige Berghöhen in Graubünden

Filmbericht:
https://youtu.be/U44V0U9pDB0

Nachdem es letztes Jahr geklappt hatte mit dem Finish beim in diesem Jahr nicht mehr angebotenen Lauf von Samedan nach Davos über 145 Kilometer und 8‘220 Höhenmeter, ging ich zuversichtlich, schon fast überheblich an die Aufgabe, die 200 Kilometer und 11‘000 Höhenmeter in diesem Jahr zu laufen.



Ich traf am Vorabend meinen Mitstreiter vom letzten Jahr, Marc, und wir sassen mit vier anderen Läufern im Café Schneider und assen Pasta und Pizza.





Verbesserung Nr. 1: Nicht mehr so spät am Abend essen und keine Teigwaren mit soviel Olivenöl

Keiner von uns sechs sollte das Ziel in Davos erreichen. Ja, rund die Hälfte der Teilnehmer vom T201 sollte das Ziel in Davos nicht erreichen.  Das sind die Zahlen, wenn ich richtig gerechnet habe:




         Frauen

       Männer

Arosa


1

Savognin

1

16

Maloja

2

29

Pontr

4

8

Samed

1

20

Bergün

1

6

DNF

9

80

Finisher

12

81


Es fing alles sehr gut an, das Wetter hätte nicht besser sein können. Nur die Stimmung beim Start hätte besser sein können, beim Swiss Alpine läuft es einem kalt den Rücken hinunter beim Abspielen von Conquest of Paradise. Ohne musikalische Einpeitschung ging es los. Wir liefen zu fünft los und unterhielten uns prächtig.


Rauf zum Sertig, den ich vom K78 kenne, runter und wieder hinauf zur Kesch Hütte.



Da ging es nur noch zu zweit weiter, Marc und ich waren zügig unterwegs. Bis Bergün joggten wir fast nur noch, es lief uns super.
In Bergün gab es leider auch nur wieder die beschränkte Nahrungsauswahl. Brot, Bananen und Schoggikuchen ertrage ich nicht, daher blieb nur der Riegel übrig und Salznüssli. Und das Enervit Getränk. Das hatte ich vom letzten Jahr in guter Erinnerung, doch damals war es kalt und feucht, jetzt war es warm und sehr trocken. Ich trank davon literweise, der Mund war so schnell ausgetrocknet, dass ich immer wieder den Mund ausspülen musste.

Verbesserung Nr. 2: Eigenes Pulver mitnehmen (Sponser Competition, säurefrei) und wenn es zwanzig Beutel sind.

Ich hatte Kartoffeln von zu hause mitgenommen, aber im Hotel vergessen. Vom Veranstalter gab es die erst in Naz und da waren wir schon fast 8 Stunden unterwegs.

Verbesserung Nr. 3: Kartoffeln mitnehmen, evtl. Kokosfett und Nuss-Stängeli (Tipps von Spitzenläufern und einem Arzt)

Diesen Teil der Strecke kannten wir noch nicht und natürlich hatte ich das Profil nicht so im Detail studiert, daher war es mental schwierig im Tal unten vorne Samedan zu sehen und dann aber nach rechts abbiegen zu müssen, um zuerst nochmals 600 Höhenmeter hinauf und 700 hinab zu bewältigen.

Dafür bekam ich von einer Frau beim Verpflegungsposten ein Biberli aus ihren privaten Beständen. Das rettete mich vorerst.


Verbesserung Nr. 4: Profil besser studieren, Timetable öfters hervornehmen

Wir kamen bevor es dunkel wurde in Samedan an, ich ass Kartoffeln, die Teigwaren brachte ich nicht hinunter, ja sie lösten sofort einen Brechreiz aus und wir legten uns für 15 Minuten hin.

Gleichzeitig mit uns verliess Rebecca das Gebäude und wir liefen mit ihr auf den Muottas Muragl. Wir mussten gleich wieder Jacke und Mütze ausziehen, es war so warm.

Jetzt hätte ich die Strecke eigentlich kennen müssen. Doch dass es auf dem Muottas nicht direkt hinunter nach Pontresina ging, sondern zuerst hinunter und dann fast 400 Meter hinauf hatte ich verdrängt. Und wie es hinaufging, als müsste man in einem Treppenhaus im Empire State Building (381m) bis oben hinaufsteigen.

In Pontresina kam uns ein Licht  entgegen, Günther fragte uns, ob wir ein Signal gesehen hätten, weil weiter vorne sei nichts mehr zu sehen.

Wir beschlossen, einfach runter ins Dorf zu laufen. Dort gab es in einer Tiefgarage einen weiteren Verpflegungsposten. Zu fünft liefen wir nun weiter, mit Günther und Stefan, dazu Rebecca, Marc und ich.

Es wurden die längsten 7 Kilometer meines Läuferlebens, keiner joggte mehr, wir benötigen eine Ewigkeit bis zur Roseg. Nichts erfreute das Auge, es war dunkel, nur das gewaltige Rauschen des Wassers war zu hören.


Nun ging es hinauf auf den/die/das Fuorca Surlej. Ich hatte keine Energie mehr und mir war schwindlig, so muss es sein auf den letzten Höhenmeter beim Mount Everest. Man muss nicht lange nach Nepal reisen, all das kann man auch bei uns miterleben.
Ich lief mit Rebecca, die ebenfalls Mühe hatte, im Zeitlupentempo nach oben. Dort gab es einen kurzen Gipfelzmorge.


Nicht mal für das Foto schaffe ich es, den Bissen herunterzubringen

Später bei der Seilbahnstation gab es wieder Verpflegung, der Käse war aber schon alle. Und die Matratzen vom letzten Jahr fehlten. Die drei anderen waren schon länger oben, Stefan lief gleich los, als wir ankamen. Da waren wir noch zu viert und liefen runter nach Maloja.



 

Für mich war klar, dass ich hier aufhören würde. Wir Läufer können einen Lauf geniessen zwischen den Krisen, doch wenn der Lauf nur noch aus Krise besteht, macht es definitiv keinen Spass mehr. Ich hätte eine längere Pause benötigt, doch blieb mir in Maloja nur noch eine Stunde.

Schade, dass das so eng ist und dafür später viel Zeit zur Verfügung steht. Ich hätte acht Stunden mehr Zeit gehabt für die zweite Hälfte, zwei Stunden Schlaf in Maloja hätten Wunder bewirkt.



 

Verbesserung Nr. 5: Geplante Ruhezeiten einhalten, nicht in der Euphorie zügig weiterlaufen

Die anderen drei liefen weiter, genau als es aus Kübeln zu schütten begann. Sie kamen später in den Bergen in ein Gewitter, der Blitz schlug in unmittelbarer Nähe ein. Beim Eigertrail haben sie einen Meterologen, der dieses Jahr einen Rennunterbruch empfahl. Diese Absicherung fehlt beim Irontrail.

Marc beendete das Rennen in Savognin, Rebecca und Günther liefen in der buchstäblich letzten Minute über die Ziellinie in Davos.

Mit einem Deutschen und einem Franzosen fuhr ich mit dem Postauto nach St. Moritz. Der Deutsche war schon auf einem früheren Bus, sie liessen ihn aber nicht mitfahren ohne Billett. Die Posten in Maloja waren entsetzt, dass es nicht geklappt hatte, wie es abgemacht war mit den Busbetrieben.

Beim erneuten Versuch liess uns der Chauffeur rein. Geschafft. Da stand einer auf, wies sich als Kontrolleur aus und wollte die Billette sehen. Ich zeigte ihm die Start-Nummer, er telefonierte, ging zum Chauffeur, kam zurück und wollte, dass ich ein Billett kaufe. Ich konnte nur lachen, ihm war es aber todernst. Das gab ein Hin und Her und irgendwann war es mir zu blöde, er soll doch einfach unsere Nummern aufschreiben und direkt mit dem Herrn Tuffli Kontakt aufnehmen.
In der Bahn waren wir willkommen.

In Davos gaben wir Chip und Tracker zurück auf unserem „Walk of shame“.
Was in Grindelwald letztes Jahr geklappt hatte, da erhielt ich nach 68 gelaufenen Kilometer ein T-Shirt vom E51, klappte hier nicht. Ich biss auf Bündner Granit und konnte ihnen kein T91 T-Shirt abschnorren für die 96 Kilometer, die ich gelaufen war. Dafür gab es als Trostpreis einen Mammut Buff.

Meine Tochter lief ab Freitagnachmittag den T91 über den Orgelpass, wo es bitterkalt gewesen sein muss. Sie hatte ebenfalls Probleme mit der Ernährung, sie konnte auch nichts mehr essen und musste auf der Lenzerheide aufgeben nach 51 Kilometern und ca. 2‘700 Höhenmetern.


Verbesserung Nr. 6: Die Strecken dem Können anpassen. Warum nicht mal kleinere Brötchen backen und den T91 laufen?


Landschaftlich ist es ein wunderschöner Lauf, einer der schönsten den ich kenne.

Wo sonst kann man 200 Kilometer laufen mit über 11‘000 Höhenmeter!
Ich komme wieder.

Wieder mal ein herzliches Dankeschön an alle Helfer und alle Organisatoren. Wir verdanken Euch die schönsten Abenteuer 

unseres Lebens.





Filmbericht






Foto-Film