101 Kilometer mit
6‘700 Höhenmetern.
Aselia, meine Tochter und Fabian, ihr Freund, hatten
ebenfalls im letzten Jahr einen der gesuchten Startplätze erhalten.
Ich fuhr bereits am Donnerstag in die Berge. Das Wetter war grausig und es war kalt geworden. Das führte dazu, dass es oben Schnee gab und davon jede Menge. War noch ein paar Tage vorher alles schneefrei, änderte sich das in den zwei Tagen vor dem Event. Das sollte einiges zum Drama nach dem Faulhorn beitragen.
Ich fuhr bereits am Donnerstag in die Berge. Das Wetter war grausig und es war kalt geworden. Das führte dazu, dass es oben Schnee gab und davon jede Menge. War noch ein paar Tage vorher alles schneefrei, änderte sich das in den zwei Tagen vor dem Event. Das sollte einiges zum Drama nach dem Faulhorn beitragen.
Nach dem Briefing fragten wir beim Streckenleiter nach, wie
es mit dem Schnee aussieht und ob wir Spikes mitnehmen sollen. Er beruhigte uns
und fand Spikes überflüssig. Wir wollten noch wissen, ob die Zeiten zu unseren
Gunsten angepasst werden, falls wir im Schnee zuviel Zeit verlieren würden. Das
würden sie situativ entscheiden.
Hätten wir wegen den Spikes nur nicht auf ihn gehört!
Ok, wir konnten los und das auf der Originalstrecke. Wir
starteten hinten, trafen Clive wieder (den Engländer, den sie letztes Jahr in
Burglauenen zurück halten wollten, weil er so komisch lief, dabei lief er immer
so) und wir waren auch bald die letzten, zusammen mit einem Läufer aus Deutschland, der seinen Hund mit
auf die Strecke nahm. Wir waren uns nicht sicher, ob das wirklich noch
tierfreundlich ist.
Ruhig und gemütlich ging es hinauf zur grossen Scheidegg. Ich ass den einzigen Riegel am Lauf und musste immer wieder stehen bleiben, es war so unglaublich schön.
Auf der grossen Scheidegg kamen wir später an als letztes
Jahr. Clive klagte über Trainingsrückstand nach Verletzungen, lief mir aber
locker voraus.
Die Sonne empfing uns auf der Scheidegg und es war einfach
nur herrlich. Runter nach Bort, wieder rauf zum First.
Trotz unserer partiellen
Höhenangst liefen wir über den Cliff Walk, einfach nicht hinunterschauen.
Es war ein Bilderbuchtag. Blauer Himmel, überzuckerte Berge,
warme Temperaturen. Jetzt liefen wir mit
den 51er weiter bis nach Burglauenen. Schon bald nach dem Bachalpsee liefen wir
auf Kolonnen auf. Überholen war nicht möglich in den engen Trails. Ein wenig
ungeduldig wurde ich schon und überholte an der erstbesten Stelle, wo ich eine
Wiese hinunterrutschte. Zum Glück fiel ich nicht hin. Das hätte sicher einiges
an Schadenfreude ausgelöst.
Mit einem Paar aus Schweden genoss ich die Freiheit, schnell loszulaufen. Ihr wäre diese fast zum Verhängnis geworden bei einem Stolpern. Für das trainieren wir auch unsere Balance. Sie fing sich akrobatisch auf.
Im Kuhstall gab es Verpflegung, ein origineller Ort. Fabian schlug auch hier wieder zu, mir kam es
vor, als laufe er von einem Buffet zum nächsten. Ich hielt mich zurück. Ich
hatte Datteln und Kartoffeln dabei, den Clif Bar vom ersten Aufstieg und sonst nur noch
gesalzene Nüsse.
Zum Trinken nur Wasser.
Weiter ging es hinauf zum Faulhorn. Auf dem höchsten Punkt
des Laufs empfing uns eine längere Schlange vor dem Verpflegungsposten. Wir
mussten sicher 10 Minuten warten. Da es warm und sonnig war, machte uns das
aber nicht viel aus.
Das Drama begann erst nach dem Faulhorn. Es lag vielerorts
sehr viel Schnee. Vor allem für meine Tochter wären Spikes Gold wert gewesen.
Sie fühlte sich unsicher, sobald es rutschig wurde auf Schnee.
Jetzt sorgten wir für Stau. Irgendwann setzte bei ihr sogar
eine Blockade ein und sie blieb an einer engen, ausgesetzten und
schneebedeckten Stelle stehen. Ein
Läufer kam von hinten und griff beherzt zu. Er packte sie am Arm, ich hielt sie
am Rucksack und beide zogen wir sie weiter.
Immer wieder gab es kritische Stellen und wir verloren viel
Zeit. Vor dem Verpflegungsposten Egg und nachdem kein Schnee mehr lag,
verabschiedete ich mich von den beiden, ich musste los, damit ich die
Schlusszeit auf der Schynigen Platte noch erreichen konnte.
Das klappte, aber nur nach einem kräfteraubendem Einsatz auf
den verbleibenden 8 Kilometern bis zur Schynigen Platte.
Fünf Minuten vor dem Cut Off kam ich an und die junge Frau
beim Posten liess mich durch.
Andere hatten weniger Glück. Die Schynige Platte war ein
Posten, wo sie keine Gnade walten liessen.
Auf Facebook bedankt sich eine
Läuferin, dass sie weiter konnte, obwohl sie zu spät war. Unterwegs erzählte
mir ein Läufer, der gestürzt war und voller getrocknetem Schlamm war, dass auch
bei ihm ein Auge zugedrückt wurde.
Meine Tochter und ihr Freund wurden aus dem Rennen genommen,
ja ein Läufer, der zwei Minuten zu spät kam, musste den Chip abgeben.
Und das obwohl wir viel Zeit vor dem Faulhorn in
Einerkolonnen verloren hatten, auf dem Faulhorn in der Warteschlange vor dem
Posten und danach auf den schneebedeckten Wegen.
Schade, dass sie bei diesem Posten nicht kulanter waren.
Aber so ist das Leben, des einen Pech…
Und Reglement ist Reglement. Andrerseits hätten sie die
Läufer noch nach Burglauenen schicken können, mit der Bedingung, dass sie dort
den Posten noch vor der Schlusszeit erreichen müssen.
Die Wanderer unterwegs hatten durchwegs Verständnis für uns
Läufer, ausser einem älteren Paar aus der Schweiz, das partout den Weg nicht
freimachen wollte und sich genervt zeigte ab den vielen Läufern. Ansonsten
erhielten wir viel Ermunterung und Beifall.
In Burglauenen hatte ich letztes Jahr den Fehler gemacht und
keine Pasta gegessen. Das sollte mir in diesem Jahr nicht passieren. Doch es
gab nur Pasta bereits angerichtet mit Tomatensauce. Leider musste ich auch in diesem Jahr auf
Pasta verzichten, weil ich Tomaten nicht vertrage. Die kalten Teigwaren, die sie mir anboten, waren ungeniessbar.
Ob ich Bouillon mit Fleisch wolle oder Gemüsebouillon, wurde
ich gefragt. Ja, gibt es denn beides, fragte ich zurück. Ja, und das an allen
Posten. Jetzt wusste ich, warum mir als Vegetarier an einem Posten die Bouillon
so schrecklich geschmeckt hatte, ich aber dennoch pflichtbewusst den ganzen
Becher ausgetrunken hatte.
Seit über 20 Jahren Vegi und dann sowas!!
Jetzt werden alle Nicht-Vegi einwerfen: Jetzt weisst du,
warum du gefinished hast!
Von Burglauenen nach Wengen, das übrigens nie kommen will,
begleitete mich Christian, mein treuer Begleiter vom Bieler. Kurz vor der Alp
hatte ich meine grosse Krise. Ich setzte
mich hin, mir war übel, schlecht, vielleicht noch bis Wengen, aber keinen
Schritt weiter.
Warum habe ich mich bloss nicht für’s Golfen entschieden?
Ich griff zum ersten Mal zu mit Wasser verdünntem Cola.
Welch ein Genuss. Einige Minuten später ging es mir besser, aber noch nicht gut.
Ich ass noch ein paar Nuss-Stengel und in Wengen leerte ich zwei Becher Cola,
ass aber nichts.
Das konnte nicht gutgehen, soviel Kalorien verbrauchen,
sowenig einnehmen.
Die Begleitung hatte gutgetan, leider liess sich Christian
nicht überreden, noch mit auf den Männlichen zu kommen.
Auf dem Weg dorthin fühlte ich mich gigantisch. Es lief mir
sehr gut und ich überholte nur noch.
Auf dem Männlichen hatte ich eine halbe
Stunde Reserve auf die Schlusszeit. Sie waren so freundlich mich in das
Restaurant zu lassen und mich dort auf die Nacht vorzubereiten. Ich zog eine
Jacke an und meine Stirnlampe, die Lupine Neo 2.
Noch immer fühlte ich mich sehr gut, wartete aber auf
weitere Läufer, um nicht allein durch die Nacht zu laufen.
Faye Ng aus Hongkong
und ein junger Mann aus Polen kamen mit mir auf‘s Lauberhorn. Die Nacht war
magisch, der Mond schien, Restlicht auf dem Eiger, der Schnee glitzerte.
Traumhaft.
Ich erzählte beim Hundschopf von der Weltcup-Abfahrt, das
Interesse war aber sehr gering.
Unterwegs zur kleinen Scheidegg staunte eine Amerikanerin
über mein helles Licht. So hell empfand ich es gar nicht. Erst da dämmerte es
mir, ich hatte um 23 Uhr noch immer meine Sonnenbrille auf!!
Oben legte ich mich auf eine Pritsche, wieder war mir übel.
Ich bekam Bouillon und als ich sie vom Schlussläufer reden hörte, stand ich
auf, leerte einen Becher Cola und machte mich auf nach unten zur Haaregg, bevor
es wieder hinaufging zur Station Eigergletscher.
Jetzt bewegten wir uns mit der Fliess-Geschwindigkeit eines
Gletschers. Der junge Mann aus Polen sah mitgenommen aus.
Einige, die ich ab
Burglauenen unterwegs traf, finde ich nicht
auf der Rangliste. Auch der junge Mann aus Polen mit der Nummer 567 ist
nicht drauf.
Es kam bei mir wieder Leben auf, sobald es auf dem
Eigertrail hinunter ging. Zuerst gab es aber noch eine fiese Gegensteigung.
Faye im Schlepptau rannte ich den Eigertrail hinunter.
Jetzt schon packte mich
ein Schaudern, der Eiger Ultra Trail war wirklich zu schaffen.
Der Weg zum Marmorbruch war mühsamer als angenommen, es war
so wurzelig und es ging immer wieder hinauf. Auf die Pfingstegg hinauf lief ich
mit einer Polin, Violetta Domaradzka, die sich immer wieder auf ihre Stöcke
kurz abstützen musste
und einem Inder, Girish Vg, der schon so viel schon
gemacht hatte, das ich bei ihm Trailsucht diagnostizierte. Aber darunter
„leiden“ wohl die meisten, die sich das antun.
Die Lampe gab ihren Dienst kurz vor der Pfingstegg auf, gut
hatte ich die Reservelampe dabei. Irgendwie hatte ich auf der Lupine die
falsche Einstellung gewählt und zuviel Licht verpulvert.
Hinunter hielt mich nichts mehr, ich fühlte mich wie
berauscht. Nichts tat weg und ich flog den Hügel hinunter, liess den Inder und
die Polin hinter mir und überholte nach dem Campingplatz weitere Läufer, ich
stürzte mich ins Dorf hinauf, jubelte und kam tatsächlich bis ins Ziel. Wer
hätte das gedacht, Golfen kann mir gestohlen bleiben, es ist kaum vorstellbar,
dass etwas anderes als ein 24 Stunden Lauf durch eine der schönsten Gegenden
der Welt, ähnliche Gefühle auslösen kann.
Im Ziel wartete meine Familie und Bekannte. Wäre ich nicht
so erschöpft gewesen, ich hätte geweint vor Glück. Ich liess mir den Eiger
Stein umhängen, nahm das T-Shirt und trank im Hotel einen Sponser Recovery Drink (Pina
Colada, ein Genuss).
Kurz vor neun sassen meine Frau und ich bereits im Zug
Richtung Interlaken. Hätte ich gewusst, dass alle Kategorien auf’s Treppchen
gerufen werden, wäre ich geblieben. War ich auf dem Männlichen noch an neunter
Stelle in meiner Kategorie, war ich im Ziel dritter geworden.
Was gibt es an dem fast perfekten Lauf zu verbessern?
-
Bouillon anschreiben mit Gemüse und
Fleisch-Bouillon
-
Pasta nicht mit Sauce mischen
-
Kartoffeln, mindestens in Burglauenen
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Situativ kulant sein bei Durchgangszeiten, erst beim 2. Zuspätkommen herausnehmen
-
Eiger Song vor dem Start
-
Mehr Info an allen Bahnstationen und
Liftanlagen, dass mit Läufern zu rechnen ist
Das sind alles Nebensächlichkeiten, es bleibt ein Abenteuer,
das jeder Trailrunner/in mal gemacht haben muss.
Herzlichen Dank an alle Helfer und Helferinnen. Ohne euch
ginge gar nichts.
Hier der Link zum Video: