Bisher verlief
mein sportliches Jahr eher schitter.
- Wegen
einer Muskelverspannung am Gluteus Medius musste ich 5 Wochen mit dem Training aussetzen und
konnte nicht am Innsbrucker Trailrun und am Bieler Ultra um den See mitlaufen
- Heuschnupfen
wie seit 20 Jahren nicht mehr
- Meine Zähne zerbröseln, ich hab eine schmerzhafte Rettungsaktion nach der anderen bei meiner Zahnärztin
Dennoch ging es
guten Mutes nach Biel. Lief ich bisher immer kopflos den Leuten nach, hatte ich
dieses Jahr einen Plan.
Der Plan hiess
Jean-François, ein Läuferkollege aus den Running Ferien in Giverola. Sein Ziel
war es, unter 11 Stunden im Ziel anzukommen und am Bieler Ultra über 50km ist
sein Plan voll aufgegangen. Wir wollten mit einem Schnitt von 6:30 pro
Kilometer laufen.
Ich traf ihn und
fünf andere Verrückte vor dem Start:
- Marc Aschmann, mein Irontrail
Kumpel, der 12 Stunden anvisierte
- Stefan Keller, auch ein
Irontrail Bekannter, der von einem 400 km Lauf in Afrika kam und ebenfalls in
12 Stunden laufen wollte
- Carmela und
Hansjörg,
ebenfalls Irontrail Läufer, die es gemütlich nehmen wollten
- Gianni, der letztes Jahr
neben mir in Kirchberg auf einem Schragen lag und auch eine Zwangspause wegen
Magenproblemen einlegen musste. Er wollte mit einem 05:30er Schnitt loslaufen
und stand weiter vorne ein.
Es
stimmte alles, die Temperatur war perfekt fürs Laufen und es blieb trocken. Es
war Vollmond, leider war es meist zu bewölkt.
Phase 1: Alles unter
Kontrolle
Wir
liefen also los, ich zügelte meine Pferde, was mir aussergewöhnlich schwer
fiel.
Ich
musste Leute ziehen lassen, mit denen ich gerne weitergeschwatzt hätte. Doch
Jean-François lief konsequent und wir hielten die Pace strikt ein.
Nach
Aarberg, so um km20 verkrampfte sich mein Magen, das ging vorbei, wie auch
andere Beschwerden. Plötzlich tat das Knie weh, dann meldete sich ein Fuss mit
Schmerzen. "Alles, alles geht vorbei", zum Glück.
In
Lyss trafen wir auf unsere Velo-Begleiter. Jean-François‘ Sohn machte es
geschickter und wartete oben nach der Steigung. Mägi kam nach einem Kaltstart
recht ins Schwitzen. Wir nahmen die Steigung locker joggend. Es lief sehr gut.
Trotz Steigung hatten wir nach mehr als 25 Kilometern die Pace im Griff: 06:30
wie geplant.
Phase 2: der Magen
rebelliert
Doch
dann nach Oberramsern bei km38, nach interessanten Gesprächen mit einer Ärztin
aus Bern (dann muss es ja gesund sein, wenn selbst Ärztinnen und Ärzte Ultras
laufen), meldete sich der altbekannte und teuflisch grinsende Schwindel.
Meine
neue Verpflegungstaktik war also nicht aufgegangen:
-
Ich
hatte wenig gegessen im Vorfeld und nur Bewährtes
-
Ich
nahm regelmässig Gels zu mir und trank immer Wasser
-
dazu
gab es Datteln und gesalzene Nüsse
-
An
den Stationen beschränkte ich mich auf Wasser und Bouillon
Ich musste nach
der Marathondistanz Jean-François ziehen lassen und lief langsamer und machte
Gehpausen.
Phase 3: es läuft wieder
Nach etwa einer halben Stunde lief es wieder
besser, ich hatte das erste Mal Cola getrunken
Jetzt war ich müde
und ich wäre gerne wie letztes Jahr zu den Sanitätern gegangen. Wie schön wäre
das gewesen, sich von hilfreichen Geistern bedienen und bemittleiden zu lassen.
Doch nichts da.
Schliesslich wollte ich unter 11 Stunden im Ziel sein. Ich montierte die
Stirnlampe und lief nach einer kurzen Pause torkelnd ohne Mägi los.
Phase 4: Kampf
Meist weckt es
meine Geister: Trailrunning ist ja mein Ding. Doch dieses Jahr blieb der Pfad
ein Kampf:
Anlaufen, wieder Gehpausen, verschnaufen, anlaufen, erschöpft kurz anhalten, anlaufen.
Ich war
überglücklich, Mägi wieder begrüssen zu können, ab der Stelle, wo die Velo-Begleiter
wieder zugelassen sind.
Nur schon meiner
Frau zuliebe, lief ich nun zügiger. Ich wollte nicht, dass sie vom Velo
runterfiel, weil wir so langsam unterwegs waren.
Ich litt, hatte immer wieder
Schwäche- und Schwindelanfälle und ich frag mich in solchen Phasen, warum ich
mir das antue. Warum alle sich das antun? Denn wenn ich rumgeschaut hatte, war
selten ein rundlaufender, glücklicher Mensch zu sehen. Viele marschierten jetzt
drauf los.
Zum Glück sind das
aber nur Phasen, die sich abwechseln mit Zeiten, wo es wieder besser geht,
nicht gut, aber besser.
Vor der 75er Tafel
gab es eine unwillkommene Umleitung, weg von der Strasse in den Wald und dort
noch einen Hügel hinauf. Ein Umweg, der mindestens 10 Minuten Zeitverlust
(wenigstens für die, die so langsam unterwegs waren wie ich) bedeutete
gegenüber der Originalstrecke
Ich hielt mich nun
mit Cola und Salzstengel über Wasser.
Zucker und Salz,
die Infusion, die auch laufend eingenommen werden kann.
Es war friedlich, wie die Welt nur am morgen früh sein kann und so unglaublich schön, dass wir privilegiert sind, hier zu hause zu sein.
In Büren, so bei
km87, habe ich ausnahmsweise die Stühle links liegen gelassen. Das Ziel von 11 Stunden
war nicht mehr erreichbar, doch ich hatte bereits ein neues. Vor 11 Stunden und
40 Minuten eintreffen, damit die 700 Minuten Marke unterbieten und damit beim
Schnitt eine sechs vorne dran, egal wenn es dann 6:59 sind.
In Büren traf ich
auf die Frau und den Sohn von Jean-François. Ich fragte sie, wie schnell ich
laufen muss, um ihn einzuholen. Ich konnte es kaum glauben, als sie sagten,
dass er noch nicht durchgekommen ist in Büren. Nach einer Krise auf dem Damm
musste er eine Pause einlegen.
Phase 5: Im Rennen angekommen
Ab der 90er Tafel
kamen meine Kräfte zurück, ich fühlte mich wieder richtig gut. Jetzt wusste ich
auch wieder, wieso ich mir das antue. Ich war im Runner’s High. Und das fühlte
sich verdammt gut an. War auch hart verdient. Bei km90 war ich im Rennen
angekommen.
Ich musste
zwischendurch kurze Gehpausen, drei, vier Schritte, einlegen, aber sonst ging
es flott im 6er Schnitt voran.
Ich lief auf zwei
Läufer auf, die im Gehschritt unterwegs waren.
Als kleiner
Exkurs: im Schweizerdeutschen ist das so schwierig mit dem Verb laufen, was beides
bedeuten kann, rennen und Gehen. Deshalb nehmen wir gerne das englische Wort
joggen.
Jedenfalls sprach
ich die beiden an, ob sie nicht mit mir joggen wollten bis ins Ziel. Einer davon,
Lukas, nahm das Angebot an und auf den letzten 5 Kilometern waren wir sogar
deutlich unter 6 Minuten pro Kilometer unterwegs.
Hier mein Eintrag
im Facebook:
Das machte nun
richtig Spass, mit Lukas in hohem Tempo dem Ziel entgegen zu fliegen und dabei viele
Läufer überholen zu können, die ich immer wieder unterwegs angetroffen hatte.
Seit Kirchberg
plagte mich eine Blase an einem Zeh. Doch so richtig stören, tat sie erst auf
den letzten zwei Kilometer. Aber da hielt mich nichts mehr zurück.
Phase 6: angekommen
Am Ziel mag ich nichts mehr trinken und nichts mehr essen. Nur noch sitzen und runterkommen. Und auf meine Leidensgenossen zu warten.
Kurz nach mir kommt Chrigel ins Ziel, ein Bekannter von Giverola, knapp danach Stefan und Peter Schmid, den ich ebenfalls vom Irontrail kenne.
Jean-François erreichte nach 12 Stunden das Ziel und ist voller Pläne für das nächste Jahr.
Marc hatte ebenfalls eine Krise, als hätten sie ihm den Stecker gezogen, schaffte es aber ebenfalls mit 12 Stunden und einigen Minuten.
Gianni's Plan war auch dieses Jahr nicht aufgegangen, mit 14 Stunden wird er gelitten haben und enttäuscht sein.
Carmela hat bis zur ersten Teilstrecke geschafft. Und Hansjörg hat das einzig richtige gemacht und den Lauf am längsten genossen.
Der
Sanitätsposten war in der Turnhalle nicht im oberen Stock, nein, im obersten
Stock. Lift hatte ich keinen gesehen. Ich liess die Blase am Zeh einpacken und mit dem
Velo fuhr ich zurück zum Parkplatz bei der Badi in Nidau.
Unterwegs kauften
wir uns noch eine Wassermelone und danach begann das Wochenende.
Die Begegnungen
mit Gleichgesinnten (oder Gleichgestörten), die Stimmung in der Nacht, die
Dunkelheit, das Licht der Stirn- und Velolampen, die Stille, die
Feuerungsanrufe der Zuschauer, das Erwachen der Vögel am Damm, die Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft der
Leute an den Stationen, das sehr schöne T-Shirt, die Medaille, die Verpflegung.
In Biel stimmt
alles.
Und wenn dann noch die beste aller Ehefrauen dazukommt und einem die ganze Nacht während einer solchen Narretei unterstützt, dann ist es unmöglich, sich glücklicher zu fühlen.
Anlaufen, wieder Gehpausen, verschnaufen, anlaufen, erschöpft kurz anhalten, anlaufen.
Ich war überglücklich, Mägi wieder begrüssen zu können, ab der Stelle, wo die Velo-Begleiter wieder zugelassen sind.
Ich litt, hatte immer wieder Schwäche- und Schwindelanfälle und ich frag mich in solchen Phasen, warum ich mir das antue. Warum alle sich das antun? Denn wenn ich rumgeschaut hatte, war selten ein rundlaufender, glücklicher Mensch zu sehen. Viele marschierten jetzt drauf los.
Es war friedlich, wie die Welt nur am morgen früh sein kann und so unglaublich schön, dass wir privilegiert sind, hier zu hause zu sein.
Am Ziel mag ich nichts mehr trinken und nichts mehr essen. Nur noch sitzen und runterkommen. Und auf meine Leidensgenossen zu warten.
Kurz nach mir kommt Chrigel ins Ziel, ein Bekannter von Giverola, knapp danach Stefan und Peter Schmid, den ich ebenfalls vom Irontrail kenne.
Jean-François erreichte nach 12 Stunden das Ziel und ist voller Pläne für das nächste Jahr.
Marc hatte ebenfalls eine Krise, als hätten sie ihm den Stecker gezogen, schaffte es aber ebenfalls mit 12 Stunden und einigen Minuten.
Gianni's Plan war auch dieses Jahr nicht aufgegangen, mit 14 Stunden wird er gelitten haben und enttäuscht sein.
Carmela hat bis zur ersten Teilstrecke geschafft. Und Hansjörg hat das einzig richtige gemacht und den Lauf am längsten genossen.
Der Sanitätsposten war in der Turnhalle nicht im oberen Stock, nein, im obersten Stock. Lift hatte ich keinen gesehen. Ich liess die Blase am Zeh einpacken und mit dem Velo fuhr ich zurück zum Parkplatz bei der Badi in Nidau.
Und wenn dann noch die beste aller Ehefrauen dazukommt und einem die ganze Nacht während einer solchen Narretei unterstützt, dann ist es unmöglich, sich glücklicher zu fühlen.