Mittwoch, 6. September 2017

2017 UTMB - Ein erster Versuch








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Es sollte nicht meine Nacht, nicht mein Wetter werden. 
Vielleicht ist es auch nicht mein Rennen, eine Nummer zu gross, aber natürlich werde ich es weiterhin versuchen, den UTMB mit seinen 170 Kilometern und 10'000 Höhenmetern innerhalb von 46,5 Stunden zu bewältigen.

Dabei hatte ich ausnahmsweise keinen Schwindel, nie wurde mir übel. Ich war hingegen kraftlos, schon auf dem ersten grossen Aufstieg zum Col de Bonhomme, der Magen bekam zu wenig für diese Riesenanstrengung und für diese Kälte. 

Ein paar Gels, Nudelsuppe, Kuchen und Biberli. 

Das ist mein Dilemma: Wenig Essen ist gut, da wird mir nicht übel. Mehr Essen ist gut, dann mag ich zulaufen.
Mit wenig Essen fehlt mir die Kraft, mit viel Essen wird mir schwindlig.

Irgendwann brachte ich aber kaum etwas hinunter, ich musste die Gels hinunterdrücken und dabei aufpassen, dass es nicht wieder hochkam.

Ich hatte durch die Kälte und das wenige an Nahrung zu wenig Kraft. Ausser nach Saint Gervais bis nach Les Contamines. Da hätte ich Bäume ausreissen können. Vielleicht war ich da auch zu schnell unterwegs. Ich überholte bergauf dutzende von Läufern. Ich musste auch dranbleiben, weil die Durchgangszeiten recht knapp bemessen sind.
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Mit Christian, meinem bewährten Supporter vom Bieler und vom Eiger, war ich am Mittwoch nach Chamonix gefahren. In seinem VW Bus fanden wir einen Platz im Camping «les deux Glaciers». Und tatsächlich hingen die beiden Gletscher oberhalb unserem Platz am Felsen. Sah nicht so vertrauenserweckend aus nach den Ereignissen in Bondo im Bergell, wo der Berg heruntergekommen war. Zudem krachte es oben öfters. 




Später erfuhren wir, dass das von Bauarbeiten herrührte. Der Camping-Platz hatte auch schon bessere Tage gesehen, er entsprach nicht den drei Punkten, die er auswies, vor allem im sanitären Bereich.

Am Mittwoch holten wir die Nummer nach einer Stunde anstehen ab.



Auf der Messe trafen wir einige bekannte Läufer unter anderem Sage Canaday, den ich auf youtube verfolge.

Link zu Sage's Race Report




Am Donnerstag konnten wir nicht viel unternehmen, es regnete den ganzen Tag. 




Am Freitag legte ich mich nochmals hin, sortierte alle Utensilien, ass die ganze Zeit Brot, Kartoffeln und Haferflocken 




und dann fuhren wir nach Chamonix.

Die Atmosphäre ist schon unglaublich. Und es blieb trocken, der angekündigte Regen blieb aus. Aber kalt war es. 

Im Startgelände traf ich auf Wolfgang, auch ein Ultra-Trail Süchtiger. Ihm stellten sich die Nackenhaare auf beim Lied «Conquest of paradise». Ich war dazu viel zu nervös.



Endlich ging es los und während hunderten von Metern wurden wir von Zuschauern angefeuert. Das war schon speziell schön.

Wie nicht anders erwartet, ist man zu Beginn von Läufern umgeben, auf dem Weg nach Saint-Gervais gab es sogar Stau. Von hinten kam Martin Hochuli und sprach mich an. 




Letztes Jahr bei seinem ersten Versuch lief er bis Arnouvaz (96km) und hörte dann auf. In diesem Jahr sollte es klappen, er schaffte den UTMB. Er lief auch zügig und war bald auf und davon. 

Die Strecke ist sehr gut beschildert, trotzdem lief ich einmal falsch, weil ich den Vorderleuten nachlief, bis sie mir wieder entgegen kamen.




Von Beginn an fühlte sich mein Bauch nicht gut an. Irgendetwas lag mir quer im Magen. Zum Glück besserte sich das nach etwa einer Stunde.

Vor Saint-Gervais begann es zu regnen, ich zog mit Hilfe eines Zuschauers meine Regenjacke an, musste sie aber nach zehn Minuten abziehen, weil es bereits wieder aufgehört hatte. Es war viel zu warm mit Regenjacke. Das sollte noch eine Rolle spielen. Oben war es sehr kalt (mit Wind Chill Faktor soll es minus 9 Grad gewesen sein) und in den Dörfern war es etwa 15 Grad wärmer. 

Wenn man sich nicht ständig umziehen will, schwitzt man in den Tälern und mit den nassen Sachen am Körper friert man in der Höhe. Nicht wenn man läuft, aber sobald man stehenbleibt.

Vor La Balme freute ich mich auf die Nudelsuppe. Doch die Nudeln waren ausgegangen, es gab nur Suppe.

Der Col du Bonhomme (2456m) war ein harter Brocken. Ich machte mir Sorgen. 
Was, wenn mir jetzt schwindlig würde mitten in der Nacht, so weit weg von der Zivilisation (beim Irontrail scheinen mir die Distanzen nicht so weit). 

Die Lichterketten sind beeindruckend, ich hätte mich gerne länger umgesehen, dazu war es aber viel zu kalt. 




Ein eisiger Wind blies. Die Wege waren ok, nur zwischendurch war es schlammig. Aber dafür, dass es am Donnerstag nur geregnet hatte, waren die Wege recht trocken. 

Oben hast du immer das Gefühl, jetzt bist du zuoberst, aber dann geht es nochmals um eine Ecke und du siehst weiter oben weitere Läufer. Das ist es dann und ja, da ist ein Sanitätszelt, das wird es sein. Ist es aber nicht, es geht weiter und irgendwann siehst du wieder weiter oben wiederum Läufer. Ich kenne keinen verwirrenderen Gipfel als den Col du Bonhomme. Rechne nie damit, dass du oben bist. Lass dich überraschen.

Ich schaffte es runter bis Les Chapieux und fühlte mich gar nicht gut.

Mit der Nudelsuppe setzte ich mich hin und wurde von einem Schweizer angesprochen, der davon sprach, dass er aufgegeben hat und in einer Viertelstunde fahre ein Bus nach Courmayeur. Das hörte sich an wie eine süsse Melodie: Bus nach Courmayeur. Das klang recht verführerisch.

Sollte ich in meiner Verfassung wirklich noch den Col de la Seigne (2516m) hoch?

Ich hatte keine Probleme mit dem Magen, der fühlte sich einfach an, als würde er aus Mangel an Nahrung sich selber aufessen. Aber mein Kreislauf schien nicht rund zu laufen. Ich hatte Mühe mit Atmen, mein Brustkorb war eingeengt und ich hatte wenig Kraft. Immer wieder musste ich anhalten und ausruhen.

Wenigstens die Hälfte sollte es schon sein.

Also verabschiedete ich mich vom Schweizer und lief wieder los, den Col de la Seigne hoch. 

Für die 1000 Höhenmeter brauchte ich drei Stunden, wahrscheinlich ein Negativrekord. Der Tag dämmerte langsam, der Himmel war aber wolkenverhangen. Die Szenerie nicht speziell, halt fast wie überall in den Bergen. Als Schweizer muss man deswegen nicht nach Chamonix. 
Wie durch ein Wunder blieben wir vom Regen bis auf ein paar Tropfen verschont, während es in Chamonix kräftig regnete in dieser Nacht.

Auf dem Weg nach unten traf ich auf den ältesten Teilnehmer, den 75jährigen  Christoph Geiger aus der Schweiz. 




Er war zum sechsten Mal dabei und hatte vor zwei Jahren einen Finish. Unglaublich, das in dem Alter. Er kämpfte mit Magenproblemen und hat an einem Verpflegungsposten vor Courmayeur aufgegeben.




Beim Lac Combal herrschte Verwirrung wegen der Schlusszeiten. Mir blieben nur zehn Minuten, ich verschlang Kuchen, Gel und Suppe und lief weiter.

Ein letzter Hügel mit zusätzlichen 450m lag vor mir, Mont-Favre (2434m).

Alle bewegten sich jetzt im Tempo von Mount Everest Besteigern, die in der Todeszone unterwegs sind. 

Oben steht eine Hütte, das muss der Gipfel sein. Ist es aber nicht. Weiter hinauf. Meine Garmin würde mir ja genau sagen, ob ich oben bin, dazu müsste ich aber meine Brille aus dem Rucksack holen und das Profil studieren. Das war mir zu umständlich und oft ist die Info auf der Uhr so entmutigend. Ich hätte auch die warmen Handschuhe abziehen müssen.

Ich hatte noch welche kaufen wollen in Chamonix. Christian und ich liefen in etwa 10 Sportgeschäfte und oft empfingen sie uns mit den Worten, dass sie keine wasserdichten Handschuhe mehr hatten.

Ausser ausgangs Dorf, da hatten sie noch welche und die waren Gold wert bei diesem Lauf.

Die letzten 800 Meter runter von Col Checruit nach Courmayeur waren eine rechte Herausforderung. Es war sehr steil, hatte viele Stufen und sogar auf dem Weg nach unten musste ich kurze Pausen einlegen.
Jetzt wurde ich das erste Mal von vielen Läufern überholt. Alle mussten sich beeilen wegen der Schlusszeit von 13 Uhr in Courmayeur.

Ich wollte auch noch gewertet werden, brauchte aber keine Zeit-Reserven, um zu essen und mich umzuziehen. 

Christian wartete vor dem Dorf, wie schön war es, ihn anzutreffen, und er begleitete mich bis zum Sportzentrum. Dort musste ich nicht lange überlegen und hatte auch nichts zu bedauern. Ich meldete mich vor 13 Uhr vom Lauf ab und sie schnitten mir unten rechts auf der Nummer ein Viereck aus. 

Aus und vorbei.

Und gut war’s.



Christian stellte fest, dass in beiden Augen je ein Äderchen geplatzt war. Das entsteht anscheinend durch Überanstrengung. 

Dramen spielten sich nun in der Halle ab. Läufer und Läuferinnen, die weiter wollten, aber erst nach 13 Uhr eintrafen. Sie verstanden die Welt nicht mehr. Einer setzte sich hin und heulte los.

Es war auch Verwirrung entstanden durch das Streichen von zwei Bergen und dem um eine halbe Stunde verschobenen Start.

Eigentlich war Schluss um 13.15 Uhr, dazu eine halbe Stunde für den verspäteten Start ergibt 13.45 Uhr. Davon zogen sie uns für den einen eingesparten Berg 45 Minuten wieder ab. Ergibt 13 Uhr. 
Was aber nicht viel Sinn ergibt. Zwei Berge gestrichen, dafür 30 Minuten weniger Laufzeit und dann soll der eine Berg 45 Minuten wert sein.

Das wurde zwar am Vortag kommuniziert. Offensichtlich war ich nicht der einzige, der es nicht genau studiert hatte!

Beim Herausgehen trafen wir Wolfgang und seine Frau. Er hatte dieselben Probleme wie ich. Während dem Rennen denkt man die ganze Zeit, ich mach das nie mehr, wieso soll ich mich so quälen. 

Normalerweise ist das Verhältnis ok. Achtzig Prozent geniessen und sich freuen und zwanzig Prozent Qual. Hier beim UTMB in diesem Jahr war das Verhältnis für mich umgekehrt.

Und dennoch: schon beim Gespräch mit Wolfgang sprachen wir vom nächsten Mal und was wir besser machen könnten.

In Courmayeur tranken wir in einer Bar einen Kaffee und ich trank gleich zwei von meinen Soja Schokoladen Getränken. Danach standen wir mit dem VW Bus in die Schlange vor dem Mont Blanc. Es dauerte zwei Stunden bis wir zurück auf unserem Zeltplatz waren. Das war mir jedoch so was von egal. Hauptsache sitzen in der Wärme.

Wir beglichen die Rechnung vom Zeltplatz und fuhren nachhause. Bereits um 22 Uhr war ich am Samstag zuhause. Der Gedanke, dass ich jetzt noch unterwegs sein könnte, liess mich erschauern.


Die Lehren:

Mehr Training, 10 Stunden pro Woche sind offenbar zu wenig
Mehr strukturiertes Training, evtl. Personal Trainer suchen
Regelmässige Sportmassagen und Pilates für’s Dehnen
Weniger Rennen, 51er beim Eigertrail und Irontrail auslassen
Erst am Wettkampf-Tag anreisen 




Von den 57 gestarteten über 60jährigen Läufern sind 14 ins Ziel gekommen.  75% der über 60jährigen haben aufgegeben.

Vielleicht müssten wir um längere Laufzeiten nachsuchen für Senioren oder nur schon eine bessere Aufteilung. Hat man doch für die erste Hälfte nur 19 Stunden Zeit und für die zweite Hälfte ganze 27,5 Stunden. Hier meine Daten:






Link zu UTMB Live-Trail





3 Kommentare:

  1. Hoi Richi

    Schade, dass es beim ersten Mal nicht geklappt hat. Hat es bei mir ja aber auch nicht! :-)

    Betreffend Training habe ich Dir ja schon per Facebook mein Pensum geschrieben. Etwas mehr als dieses wäre sicher sinnvoll, aber ich denke 10 Stunden braucht es nicht. Und schon gar nicht mehr als 10 Stunden.

    Für mich war glaube ich dieses Jahr die mentale Einstellung entscheidend. Ich wollte nur dieses Rennen finishen und habe vorher keinen Lauf länger als 10 Stunden gemacht. So war ich mental frisch am Start und hatte den Biss zum durchziehen.

    Ein Finish ist natürlich toll, aber bei diesen Ultras ist das halt nicht selbstverständlich und die 75km bis Courmayeur müssen auch zuerst gemacht werden!

    Deshalb Gratulation zur ersten Hälfte!
    Liebe Grüsse
    Martin

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  2. Lieber Richard
    Vielen Dank für die beiden wunderbaren Youtube-Filme zu deinem UTMB - eindrückliche Bilder mit super Musik - und deinem ausführlichen Bericht.

    Ich möchte dir ebenfalls zu deiner Leistung gratulieren, weil ich weiss was es dazu braucht.

    Magenprobleme - Probleme mit Essen und Trinken - haben viele auf den langen Läufen. Meine Erfahrung ist, dass man sich nicht so viele Gedanken darüber machen soll, wenn es mit dem Essen nicht klappt. Irgendwie gehts weiter und vielleicht kommt irgendwann wieder die Energie. Im Energie-Defizit ist man sowieso.

    Ich glaube und bin überzeugt dass du dich sehr gut auf den Lauf vorbereitet hast. So viele lange Trainingsläufe habe ich leider nicht gemacht. Ich würde aber nach dem Eiger Ultra Trail 101 (gutes Training fürs hinunterrennen) zwei Wochen später nicht den Irontrail T133 machen, auch wenn dieser noch so schön ist.

    Vielleicht das nächste Mal im Hotel in Chamonix in der Wärme übernachten.

    "Irgendwann musst du nach Chamonix" - Auf der Refuge Bertone gibts den besten Verpflegungstee vom ganzen Lauf. Die Gastfreundlichkeit und Begeisterung im Wallis ist einmalig.

    Ich hoffe für dich aufs Losglück im 2018.
    Keep on running, Gruss Erich Good, Zürich

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    1. Danke Erich.

      Denn Irontrail werde ich definitiv auslassen als Vorbereitung und auch deinen Rat befolgen, ein Hotel zu buchen.

      Gratuliere nachträglich zu deinen zwei Finish beim UTMB. Heute weiss ich, dass es kein Spaziergang ist.

      Man sieht sich
      Richard

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